Im Rahmen der Fachtagung des Österreichischen Behindertenrates zum Barrierefreiheitsgesetz fand als Side Event die feierliche Preisverleihung des UNIKATE Ideenwettbewerbs 2025 statt. Schüler*innen und Studierende präsentierten ihre innovativen assistiven Technologien, die sie gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen entwickelt hatten. Ziel: Barrieren abbauen, Selbstständigkeit fördern und gelebte Inklusion ermöglichen.
Eröffnung: Barrierefreiheit als Zukunftsthema
Moderatorin Marlene Krubner eröffnete die Abendveranstaltung und bat Filip Kisiel, Sprecher der UNIQA Privatstiftung, sowie Rudolf Kravanja, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrates, auf die Bühne.
Filip Kisiel berichtete, wie sich auch aufgrund persönlicher Erfahrungen die Wahrnehmung von Barrierefreiheit und einem Leben mit Behinderungen weiterentwickelt.
Rudolf Kravanja bedankte sich bei der UNIQA Privatstiftung für die Finanzierung des UNIKATE Ideenwettbewerbs und hob die Bedeutung der Entwicklung assistiver Technologien für die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen hervor.
„Alle Türen gehen zu, eine auf“ – digitale Barrierefreiheit
Im Anschluss sprach Susanne Buchner-Sabathy, Expertin für digitale Barrierefreiheit, über den Verlust ihrer Sehkraft. Sie beschrieb das Gefühl mit den Worten: „Alle Türen gehen zu … und auf einmal geht wieder eine auf. Das war für mich der digitale Raum.“
Gedruckte Texte seien für sie immer wichtig gewesen: „Ich konnte mit der Lupe lesen und plötzlich konnte ich das nicht mehr. In dieser Situation habe ich bemerkt, dass ich im digitalen Raum Dinge tun kann, die ich im physischen Raum nicht mehr tun kann – wie Zeitungen im Internet lesen.“
Dabei seien die Ansprüche an den digitalen Raum für alle gleich: „Wir wollen Informationen finden, entspannt in Webshops schmökern, einen Einkauf in Webshops durchführen, ohne hängenzubleiben, ein Zimmer oder Zugticket buchen, ohne uns die Haare raufen zu müssen.“
Damit das möglich ist, müssten auch blinde und sehbehinderte Menschen Webseiten und Apps problemlos wahrnehmen und bedienen können. Screenreader lesen Texte und Alternativtexte aus, weshalb es wichtig sei, Bilder und Schalter mit sinnvollen Alternativtexten zu versehen. Außerdem hob Buchner-Sabathy das „Mehr-Sinne-Prinzip“ hervor: „Ich muss dafür sorgen, dass die Information, die ich übermitteln möchte, über mehr als eine Sinneswahrnehmung wahrgenommen werden kann.“
Barrierefreiheit verglich sie mit einem Kuchen: „Frühzeitig einarbeiten und so viel wie möglich davon.“
Die ausgezeichneten Projekte
NIMBUS – barrierefreie Navigation mit Drohnen
Ein Team der HTL Donaustadt arbeitet daran, Hindernisse beim Gehen mithilfe von Drohnen zu erkennen. Statt Sensoren auf Handys oder Brillen zu montieren, wird eine Drohne eingesetzt. „Das erspart das Mitschleppen und Gewicht.“ Ziel ist es, ein sicheres Fortbewegen von A nach B zu ermöglichen und gleichzeitig eine kostengünstige Alternative zum Assistenzhund zu bieten.
Eine Vorführung auf der Bühne entfiel – „Dazu bräuchten wir eine Versicherung. Die haben wir leider nicht“, erklärte ein Teammitglied. Das Publikum lachte.
Mathias Schmuckerschlag, der das Projekt bereits als Experte begleitete, zeigte sich begeistert: „Ich habe das Projekt schon damals als sehr interessant bewertet und Empfehlungen gegeben. Die Ausführungen des Teams auf der Bühne haben die Neugierde noch weiter gesteigert. Einige sind ziemlich scharf darauf, das auszuprobieren.“
Boards without Barriers – barrierefreie Brettspiele
Das Team der HTL Rennweg präsentierte barrierefreie Brettspiele und erhielt schon nach wenigen Sekunden Applaus. „Falls wir etwas unvorbereitet wirken, das liegt daran, dass wir heute vorgezogene Matura hatten“, scherzte ein Schüler.
Das Ziel lautet: „Inklusion durch Spielspaß erreichen.“ Anlass war der Vater eines Schülers, der aufgrund von Multipler Sklerose im Pflegeheim lebt und an Aktivitäten wie Basteln oder Ausflügen nicht teilnehmen kann. Mit dem entwickelten Brettspielgerät können neben Schach auch andere Brettspiele gespielt werden. Menschen, die Figuren nicht präzise greifen können, bedienen es über ein Eingabegerät. „Nicht das Zittern zu unterbinden, sondern die Tasteneingabe zu ermöglichen“, beschrieb das Team seine Herangehensweise.
Moderatorin Marlene Krubner fasste zusammen: „Klingt sehr bedeutsam und wertvoll.“
Manuela Lanzinger, Präsidiumsmitglied des Österreichischen Behindertenrats, gratulierte und empfahl: „Arbeitet mit Ergotherapeut*innen zusammen.“ Darauf das Team: „Das haben wir noch vor. Genauso wie User-Tests mit weiteren Personen.“
Cobot – Assistenzroboter für Handgriffe im Alltag
Ein Student der Universität Innsbruck entwickelte in Zusammenarbeit mit Marianne Hengl vom Verein RollOn Austria den Cobot, einen Roboterarm, der Gegenstände näher zum Gesicht bringt.
Der Entwickler erklärte: „Ich habe den Fokus auf Reproduzierbarkeit gesetzt, weil ich es schön finde, wenn alle, die einen Bedarf haben, den Roboter für sich anpassen können.“
Der Roboter ist modular, über Handy steuerbar und open source verfügbar. Codes und Bauanleitungen sind öffentlich zugänglich.
Read Me – das Lesegerät für alle
Ein Team der HTL Rennweg entwickelte „Read Me“, ein Gerät, das Texte scannt, vorliest und am Bildschirm anzeigt, sodass Nutzer*innen mitlesen und trainieren können. Es lässt sich in der Gruppe oder allein mit Kopfhörer nutzen.
Das Team wünscht sich: „Der kostengünstige Nachbau soll ermöglicht werden.“
Goalfinder – Basketball-Assistenzsystem
Die HTL Leonding stellte „Goalfinder“ vor, ein System für sehbeeinträchtigte Basketballspieler*innen. Das Gerät arbeitet mit Laser- und Vibrationssensoren, spielt einen Piepston, um den Korb akustisch zu finden, und reagiert mit einem „Win-Sound“ bei Treffern oder einem „Loose-Sound“ bei Fehlwürfen.
Zum Abschluss lud das Team ein: „Kommt zum Event an der HTL Leonding am 9. Oktober und testet Goalfinder selbst.“
Special Bond – App zur Kommunikation
Das Projekt „Special Bond“ stammt von der HTL Rennweg. Da das Schülerteam kurzfristig absagen musste, stellte Paul Panek (TU Wien) die App stellvertretend vor. „Special Bond“ unterstützt die Kommunikation zwischen Kindergartenpädagog*innen und Eltern nicht-sprechender Kinder, etwa bei Fragen zu Essen, Trinken oder Schlaf.
Stimmen aus der Wissenschaft
Katharina Werner von der TU Wien sprach über die Entwicklung der Projekte: „Es war spannend, die Fortschritte zu sehen. Die Teams können sehr stolz darauf sein.“
Paul Panek betonte die Grundhaltung der TU Wien: „Wir wollen daran arbeiten, Technik zu machen, die uns Menschen dient. Das bedeutet, dass spätere Nutzer*innen möglichst früh an Bord sind, damit sie mitgestalten können. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Technik eigentlich haben wollen – und nicht, wie sie sich nur technisch darstellt.“
Katharina Werner ergänzte zum weiteren Weg der Prototypen: „Es gibt an der TU auch Anlaufstellen, die helfen, daraus ein Produkt zu machen und auf den Markt zu bringen. Besonders nennenswert ist das Innovation Incubation Center.“
Sie verwies auch auf ein Erfolgsbeispiel: „Das letztjährige UNIKATE-Gewinnerprojekt INDEPENDO wurde mit Arbeitsplätzen an der TU unterstützt.“
Abschluss der Preisverleihung
Nach der feierlichen Urkundenüberreichung präsentierten die Teams ihre Prototypen an Demotischen. Besucher*innen konnten die Entwicklungen ausprobieren und mit den jungen Entwickler*innen ins Gespräch kommen.
Die Preisverleihung klang bei Snacks und Getränken aus – und hinterließ bleibende Eindrücke von kreativen, inklusiven Projekten, die zeigen, wie Barrierefreiheit und assistive Technologien das Leben vieler Menschen bereichern können.
Wir danken dem ÖGB für die Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten.
Impressionen

Die Veranstaltung wurde von der UNIQA Privatstiftung unterstützt, die den Wettbewerb finanziert. Eröffnet wurde der Abend von UNIQA-Sprecher Filip Kisiel und Rudolf Kravanja, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrates. Die TU Wien begleitet den Wettbewerb fachlich und macht deutlich, wie entscheidend die frühe Einbindung von Menschen mit Behinderungen ist, damit aus Prototypen marktreife Produkte entstehen können.

































