Der Österreichische Behindertenrat ist die gesetzlich verankerte Interessenvertretung der 1,4 Mio. Menschen mit Behinderungen in Österreich. In ihm sind über 85 Mitgliedsorganisationen organisiert. Auf Grund der Vielfalt der Mitgliedsorganisationen verfügt der Österreichische Behindertenrat über eine einzigartige Expertise zu allen Fragen, welche Menschen mit Behinderungen betreffen.
Der Österreichische Behindertenrat dankt dem Land Tirol für die Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme und erlaubt sich diese wie folgt auszuführen:
Allgemeines
Der Österreichische Behindertenrat begrüßt grundsätzlich, dass mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf die Verfahrensabläufe für den Lohnkostenzuschuss für die Schulassistenz durch das Land Tirol vereinfacht und die Gewährung der Zuschüsse effizienter gestaltet werden soll. Um gleichberechtigte Bildungsmöglichkeiten für alle Kinder mit Behinderungen sicherzustellen ist es jedoch unerlässlich, dass die Zuschussgewährung bedarfsgerecht für alle Kinder – unabhängig von der Art der Behinderung – gewährleistet wird. Dadurch, dass das Pflegegeld die einzige im Entwurf normierte Voraussetzung bleibt, während etwa die erhöhte Familienbeihilfe als Voraussetzung für einen Lohnkostenzuschuss wegfällt, wird der Anspruchskreis stark verengt. Gerade Kindern im Autismus-Spektrum, mit psychischen Erkrankungen und Lernschwierigkeiten wird der Zugang zu Schulassistenz, und damit zu einem chancengleichen Bildungszugang, quasi verunmöglicht.
In diesem Sinne sind aus Sicht des Österreichischen Behindertenrats folgende Anmerkungen zu machen.
Zu den einzelnen Regelungen
Zu § 18
Hier werden die Zuschüsse zu den Lohnkosten der Schulassistenz geregelt. Im Rahmen einer Kann-Bestimmung wird festgehalten, dass das Land Tirol den Erhaltern von Schulen, die nicht vom Bund erhalten werden, Zuschüsse zu den Lohnkosten der Schulassistenz für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, die im Schulalltag Assistenz benötigen, gewähren kann. Nähere Bestimmungen zu der Gewährung von Zuschüssen hat die Landesregierung durch Richtlinien zu erlassen. Gemäß § 18 Abs. 2 lit. b. wird die Zuschussgewährung an den (tatsächlichen) Bezug von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz gebunden.
Grundvoraussetzung für chancengleiche Bildung für Schüler*innen mit Behinderungen ist aber, dass sich Unterstützung – hier in Form von Schulassistenz – am tatsächlichen Bedarf orientiert, und nicht budgetären (Spar-)Zwängen unterworfen wird. Diesen aber hauptsächlich am Pflegegeld festzumachen, greift jedoch viel zu kurz. Bereits 2023 wurde gerichtlich festgehalten, dass „die Pflegegeldstufe kein aussagekräftiger Indikator [darüber ist], ob Schüler*innen mit Behinderung[en] Unterstützung durch Assistenz benötigen oder nicht.“[1]
Deshalb fordert der Österreichische Behindertenrat, dass § 18 Abs. 2 lit b. durch folgendes in fett ergänzt wird:
„b) die Voraussetzungen, unter denen Zuschüsse gewährt werden, wobei vorzusehen ist, dass vom Vorliegen einer Behinderung im Sinn des § 3 lit. a jedenfalls auszugehen ist, wenn die Schülerin Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz oder erhöhte Familienbeihilfe nach § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 bezieht,“
Anstatt enger Kriterien oder restriktiver Richtlinien bedarf es hier also dringend einer bedarfsgerechten und zielgerichteten Vergabe von Assistenzstunden auf Basis eines Rechtsanspruchs.
Deshalb fordert der Österreichische Behindertenrat weiters in § 18 Abs. 1 die Wortfolge „Das Land Tirol kann den Erhaltern von Schulen“ durch die Wortfolge „Das Land Tirol hat den Erhaltern von Schulen“ zu ersetzen.
Zudem sei hier angemerkt, dass die Auslagerung des Verfahrens über die Gewährung von Zuschüssen in Richtlinien die Gefahr birgt, dass die Gewährung von Schulassistenz für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen weiterhin insbesondere von Lohnkostenzuschüssen abhängig bleibt. Zusätzlich führt die zukünftige Regelung der Gewährungskriterien in Form von Richtlinien zu Rechtsunsicherheit: Einerseits fehlen Einspruchsmöglichkeiten im Gewährungsverfahren im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung. Andererseits können auf diese Weise die Ansprüche eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens – u.a. in Hinblick auf Begutachtungsprozess und parlamentarische Kontrollmöglichkeiten – nicht erfüllt werden.
Mit besten Grüßen
Für Präsident Klaus Widl
Felix Steigmann BA MA
[1] Republik Österreich – Handelsgericht Wien, 19 Cg 73/21p, S. 5. https://www.klagsverband.at/klav2024/wp-content/uploads/2023/05/20230331-URTEIL-I.-Instanz_geschwaerzt.pdf Letzter Zugriff: 11.12.2025.