mumok: Feminist Perspectives of Disability: Nothing About Us Without Us
FEMINIST PERSPECTIVES ist ein in Wien etabliertes Festival für feministische Filmkultur und widmet sich 2025 Disability Studies, Crip Culture und inklusiver Filmpraxis, mit Fokus auf Filmemacher*innen mit Behinderungen und dem Leitsatz „Nothing about us without us“.
FEMINIST PERSPECTIVES findet bereits zum vierten Mal statt und hat sich in Wien als wichtiges Forum für feministische Filmkultur etabliert. Das Festival, veranstaltet von dieRegisseur*innen, bringt internationale und lokale Perspektiven zusammen und schafft Räume für die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen.
Die diesjährige Ausgabe widmet sich Disability Studies, Crip Culture und inklusiver Filmpraxis. Unter dem Leitsatz „Nothing about us without us“ – der zentralen Forderung der internationalen Behindertenbewegung – stehen Filmemacher*innen mit Behinderungen im Zentrum: als Protagonist*innen, als Künstler*innen, als Theoretiker*innen und als Aktivist*innen. Das Festival versteht Behinderung nicht als Defizit, sondern als kreative Ressource, als produktive ästhetische Praxis und als politisches Terrain.
FEMINIST PERSPECTIVES 2025 versammelt internationale Filmarbeiten, die neue Perspektiven auf Körper, Wahrnehmung, Kommunikation und Zugehörigkeit eröffnen. Die Filme entstammen inklusiven Produktionsprozessen, wurden von behinderten Filmemacher*innen selbst gestaltet oder entwickeln innovative Formen der Zugänglichkeit. Sie machen sichtbar, wie Ableismus – die Diskriminierung behinderter Menschen – sich alltäglich manifestiert: in Blicken, in Sprache, in räumlichen Designs, in Annahmen darüber, wer als „normal“ gilt und wessen Leben als lebenswert erachtet wird.
Alle Veranstaltungen werden möglichst inklusiv und barrierefrei gestaltet. Die Räumlichkeiten im mumok kino sind für Publikum und Gäste barrierefrei zugänglich.

Das Programm erforscht zentrale Fragen der Normkritik: Wer entscheidet, was als normal gilt? Wie werden Menschen durch die Konstruktion von „Normalität“ unsichtbar gemacht? Welche Barrieren – architektonische, sprachliche, soziale, epistemische – müssen behinderte Menschen täglich navigieren? Und wie können diese Strukturen nicht durch individuelle Anpassung, sondern durch kollektive Veränderung abgebaut werden?
Ein besonderer Fokus liegt auf inklusiver Filmpraxis und Disability Aesthetics. Die gezeigten Arbeiten demonstrieren, dass Barrierefreiheit keine Einschränkung künstlerischer Freiheit ist, sondern deren Voraussetzung. Sie zeigen, dass Access – Zugänglichkeit – nicht nachträglich hinzugefügt werden muss, sondern als kreatives Prinzip von Anfang an mitgedacht werden kann. Untertitel werden zu narrativen Elementen, Audiodeskription zu poetischen Akten, alternative Navigationsmethoden zu kollektiven Performances.
Das Festival macht auch die Vielfalt behinderter Menschen sichtbar: von D/ tauben Aktivist*innen, die zwischen Welten navigieren, über autistische Menschen, die sich gegen das erschöpfende „Masking“ wehren, bis zu Menschen mit seltenen Behinderungen, die nach Community suchen. Es zeigt Menschen mit ME/CFS, die in abgedunkelten Räumen verschwinden müssen, Rollstuhlnutzer*innen, die ihre Sexualität selbstbestimmt leben wollen, und Menschen mit dissoziativer Identitätsstörung, die nicht „geheilt“ werden wollen, sondern „thriven“ – aufblühen.
Intersektionalität durchzieht das gesamte Programm: Die Filme machen deutlich, dass Behinderung nie isoliert existiert, sondern sich mit anderen Formen der Diskriminierung – Sexismus, Rassismus, Queerphobie, Klassismus – verschränkt. Sie zeigen Schwarze, nicht-binäre, behinderte Performance-Künstler*innen, queere Crip-Utopien, venezolanische Liebesgeschichten, koreanisch-amerikanische Familienkonstellationen.
Das Festival positioniert sich explizit politisch: Es geht nicht darum zu zeigen, dass behinderte Menschen „auch“ lieben, arbeiten, Kunst machen können – als wäre das eine Ausnahme. Es geht darum anzuerkennen, dass diese Selbstverständlichkeiten systematisch verweigert werden, und den Kampf um ihre Anerkennung sichtbar zu machen. Die Filme sind Manifeste und Einladungen: Sie fordern strukturelle Veränderungen in der Filmbranche und zeigen konkret, wie diese aussehen können.
Zwei Panels vertiefen die im Filmprogramm aufgeworfenen Fragen: Ein Panel widmet sich Ableismus im Kulturbetrieb, medialer Repräsentation und strukturellen Barrieren an Hochschulen und Universitäten. Ein weiteres Panel diskutiert Fragen der Normkonstruktion, Community-Bildung, Solidarität und radikaler Selbstliebe als politischen Akt.
FEMINIST PERSPECTIVES 2025 leistet einen Beitrag zur Entwicklung einer post-ableistischen Filmästhetik und Wahrnehmung. Das Festival versteht sich als Ort der Solidarität, des Lernens und der Transformation. Es lädt ein, gewohnte Blicke zu hinterfragen, neue Formen der Wahrnehmung zu entwickeln und gemeinsam an einer Welt zu arbeiten, in der Vielfalt nicht nur toleriert, sondern gefeiert wird.
dieRegisseur*innen ist eine feministische und solidarische Kooperative von rund 120 Filmemacher*innen mit Arbeitsbasis in Österreich, die alle kreativen Formen des Filmschaffens vertreten. Als starke filmpolitische Stimme mit egalitärer, transparenter und inklusiver Struktur setzt sich der Verband für diverse künstlerische Ansätze, unterschiedliche soziale Milieus sowie die Vielfalt an Erzählperspektiven ein, die unsere Gesellschaft ausmacht.
Programm 1 | BLICKE UND GEGENBLICKE – Looking At Othering
Samstag, 6. Dezember 2025, 11 bis 13 Uhr, mumok kino
Das erste Programm widmet sich der Frage des Blicks – jenem Blick, der Menschen als „anders“ markiert, ausgrenzt und unsichtbar macht, aber auch dem selbstbestimmten Gegenblick, der Normierungen offenlegt und zurückweist. Die vier Filme untersuchen aus unterschiedlichen Perspektiven, wie Behinderung und chronische Krankheit gesellschaftlich wahrgenommen werden und wie behinderte Menschen und chronisch Kranke diese Wahrnehmungen aktiv herausfordern.
PROGRAMM 2 | INKLUSION I: MAKING ACCESS WORK – Prozesse inklusiven Filmemachens
Samstag, 6. Dezember 2025, 14 bis 15.30 Uhr, mumok kino
Wie entsteht ein Film, wenn Barrierefreiheit nicht nachträglich hinzugefügt, sondern von Anfang an mitgedacht wird? Was geschieht, wenn behinderte Menschen nicht nur vor, sondern auch hinter der Kamera stehen und die Produktionsprozesse selbst gestalten? Das zweite Programm widmet sich inklusiver Filmpraxis als einem Neudenken dessen, was Film sein kann und wie er gemacht wird.
Programm 3 | INKLUSION II: AESTHETICS OF ACCESS – Kreative Aktivismen
Samstag, 6. Dezember 2025, 16 bis 18 Uhr, mumok kino
Wie wird Barrierefreiheit selbst zum künstlerischen Material? Was geschieht, wenn Access nicht nur mitgedacht, sondern neu erfunden wird? Das dritte Programm führt die Fragen inklusiver Filmpraxis weiter und vertieft sie: Hier geht es nicht mehr nur darum, dass behinderte Künstler*innen die Produktionsprozesse gestalten, sondern darum, wie sie bestehende Systeme des Zugangs fundamental hinterfragen, subvertieren und durch kreative, selbstbestimmte Alternativen ersetzen.
Programm 4 | BEZIEHUNGSWEISE(N) I – Relating Otherwise
Samstag, 6. Dezember 2025, 18.30 bis 21.30 Uhr, mumok kino
Wie gestalten sich intime Beziehungen jenseits normativer Vorstellungen? Welche Formen von Liebe, Begehren, Partnerschaft und Selbstverwirklichung werden möglich, wenn behinderte Menschen ihre Beziehungen selbst definieren? Das vierte Programm rückt Intimität, Sexualität und Selbstbestimmung ins Zentrum – nicht als Problemfelder, sondern als Orte der Freiheit und kreativer Neugestaltung.
Programm 5 | BEZIEHUNGSWEISEN II – Modes of… Unmasking, Thriving, Dissociating, Laughing, Appearing.
Sonntag, 7. Dezember 2025, 11 bis 13 Uhr, mumok kino
Was bedeutet es, sich selbst zu sein, wenn die Welt verlangt, jemand anderes zu sein? Wie navigieren Menschen durch Räume, die nicht für sie gemacht wurden – durch neurotypische Normen, kapitalistische Strukturen, visuelle Codes, familiäre Erwartungen? Das fünfte Programm setzt die Auseinandersetzung mit intimen Beziehungen aus Programm 4 fort, weitet den Blick aber auf Beziehungen zum Selbst: auf Strategien der Selbsterhaltung, Selbstbehauptung, Selbsterfindung.
PROGRAMM 6 | IS THERE ANYBODY OUT THERE? Strukturen der Ausgrenzung, Solidarität jenseits der Norm
Sonntag, 7. Dezember 2025, 17.30 bis 20 Uhr, mumok kino
Ella Glendining wurde mit einer extrem seltenen Behinderung geboren: Sie hat keine Hüftgelenke und sehr kurze Oberschenkelknochen. So selten, dass sie nie jemanden mit einem Körper wie ihrem gesehen hat. Diese Erfahrung radikaler Einzigartigkeit führt zu einer existenziellen Frage: Gibt es da draußen irgendwen wie mich?
PROGRAMM 7 | [RISING SOUND OF WIND RUSHING] – Deaf Gain als Neuorientierung der Sinne
Sonntag, 7. Dezember 2025, 17.30 bis 20 Uhr, mumok kino
Zwischen 2011 und 2013 wurden an mehreren High Schools in Los Angeles eine Reihe von Tubas gestohlen. The Tuba Thieves erzählt jedoch keine Geschichte über Diebe oder verschwundene Instrumente. Stattdessen fragt der Film: Was bedeutet es, zu hören? Was geschieht, wenn die tiefste Stimme einer Marching Band verstummt? Wie klingt Abwesenheit?