Am 4. und 5. Dezember 2025 fand anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen die jährliche Konferenz „European Day of Persons with Disabilities“ in der Europäischen Kommission in Brüssel, Belgien statt. Für den Österreichischen Behindertenrat nahmen Präsident Klaus Widl sowie Victoria Biber an der Veranstaltung teil. Klaus Widl war zudem Mitglied der Nationalen Jury für den Access City Award. Auch heuer stand das zweitägige Event im Zeichen zentraler menschenrechtlicher Themen von der Überarbeitung der EU-Strategie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bis hin zu inklusiver Budgetpolitik und barrierefreien Städten.
Weichenstellung für die Zukunft der EU-Behindertenpolitik
Bei der Begrüßung betonte die EU-Kommissarin für Gleichstellung, Vorsorge und Krisenmanagement Hadja Lahbib die derzeit laufende Überarbeitung der EU-Strategie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030. Sie wies auf das derzeit laufende öffentliche Konsultationsverfahren hin, bei dem alle EU-Bürger*innen bis 6. Februar 2026 Vorschläge und Ideen zur künftigen Ausrichtung der Strategie einbringen können.
Überarbeitung der EU-Strategie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030
In der ersten Diskussion zur Überarbeitung der EU-Strategie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 wurde deutlich, welche Themenschwerpunkte in den kommenden Jahren besondere Aufmerksamkeit benötigen. Zentral war die Forderung nach einem klaren Verbot von Zwangssterilisationen innerhalb der gesamten Europäischen Union.
Markus Schefer, Mitglied des UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, der in 2023 als Mitglied des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen maßgeblich an der Staatenprüfung Österreichs mitwirkte und zentrale menschenrechtliche Fragen an die österreichische Delegation gestellt hatte, erinnerte an die volle Gültigkeit der UN-Behindertenrechtskonvention und hielt fest: „Die UN-BRK ist verbindliches Recht und nicht nur ein Wunschgedanke. Sie ist geltendes Recht und wir müssen sie auch so behandeln.“ (Anm. deutsche Übersetzung)
Access City Award 2025: Europas Städte im Fokus
Wie jedes Jahr seit 2010 wurde im Rahmen der Konferenz der Access City Award verliehen. Wien, Gewinnerstadt des Jahres 2024, wurde durch Stefanie Vasold, Vorsitzende der Kommission für Inklusion und Barrierefreiheit, und Hans-Jürgen Groß, Konzernbeauftragter für Barrierefreiheit bei den Wiener Stadtwerken, vertreten, die einleitende Worte zur Bedeutung nachhaltiger Barrierefreiheitsarbeit fanden. Klaus Widl wirkte als Mitglied der nationalen Jury mit.
Im Zuge der Verleihung wurden die neuen Preisträger*innen des Access City Award 2026 präsentiert.
Barrierefreiheit ist ein zentrales Anliegen der Europäischen Union, in der laut Eurostat mehr als 90 Millionen Menschen mit Behinderungen leben. Seit 2010 wird der Access City Award an Städte verliehen, die Barrierefreiheit konsequent voranbringen.
Zu den bisherigen Gewinnerstädten zählen San Cristóbal de La Laguna, Skellefteå, Luxemburg Stadt, Jönköping, Warschau, Breda, Lyon, Chester, Mailand, Borås, Göteborg, Berlin, Salzburg und Ávila.
Bei der diesjährigen Verleihung überreichte Glenn Micallef den ersten Preis an Saragossa. Hadja Lahbib eröffnete die Konferenz und sprach über die bisherigen Fortschritte der Europäischen Union sowie den weiteren Weg zu Autonomie, Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen.
Die Preisträger*innen
Die spanische Stadt Saragossa erhielt den ersten Preis für ihre umfassende, auf Rechten basierende Arbeit im Bereich Barrierefreiheit. Die Maßnahmen basieren auf der UN-Behindertenrechtskonvention und beinhalten kommunale Barrierefreiheitsregeln, einen strategischen Plan mit Zielen, Zeitplänen und Budget sowie eine starke Verwaltungsstruktur mit Barrierefreiheitsbüro und Barrierefreiheitsbeirat. Die Stadt setzt auf barrierefreien Verkehr, stufenfreie Fußwege, inklusive Initiativen im Bank- und Handelsbereich sowie zertifiziert barrierefreie digitale Angebote. Ein besonderer Schwerpunkt ist das barrierefreie Wohnen, etwa durch das Flumen-Projekt, das inklusive und selbstbestimmte Wohnformen ermöglicht.
Die spanische Stadt Valencia erhielt den zweiten Preis. Die Stadt verfolgt einen datenbasierten Ansatz und meldet 96 Prozent urbane Barrierefreiheit sowie ein vollständig barrierefreies Bus- und Metronetz. Menschen mit Behinderungen arbeiten als Barrierefreiheitsprüfer*innen, und neue Lösungen werden systematisch getestet. Zusätzlich erhielt Valencia eine besondere Erwähnung im Bereich inklusives Krisenmanagement. Hierzu zählen gemeinsam mit Organisationen von Menschen mit Behinderungen entwickelte Notfallprotokolle, regelmäßige Notfallübungen sowie Schulungen für Feuerwehr, Polizei und kommunale Mitarbeitende. Ergänzend betreibt die Stadt ein inklusives Notfallwarnsystem.
Die französische Stadt Rennes erreichte den dritten Platz. Rennes erzielt Fortschritte durch enge Koordination ihrer Verwaltungsdienste. Metro und Busnetz sind vollständig barrierefrei, unterstützt durch Tür-zu-Tür-Fahrdienste und Apps für stufenfreies Reisen. Straßen wurden breiter und sicherer gestaltet, mit taktilen Leitsystemen, Sitzgelegenheiten und barrierefreien Toiletten. Kulturelle Einrichtungen wurden mit Rampen, Aufzügen, angepassten Toiletten und kontrastreichen Treppenkanten ausgestattet. 68 Prozent der kommunalen Gebäude sind barrierefrei, ein Barrierefreiheitsfahrplan soll bis 2027 alle öffentlichen Gebäude auf den erforderlichen Standard bringen.
Besondere Erwähnungen
Piacenza (Italien) erhielt eine Special Mention für digitale Barrierefreiheit. Die Stadt erfasst mehr als 3.000 Barrierefreiheitsprobleme per Mapping und Datenanalyse, um zielgerichtete Verbesserungen zu ermöglichen. Ein kommunaler virtueller Assistent und lokale Servicestellen erleichtern den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen.
Valencia (Spanien) erhielt eine Special Mention für inklusives Krisenmanagement. (siehe oben)
Salzburg (Österreich) erhielt eine Special Mention für barrierefreies Wohnen. Die Stadt verankert Barrierefreiheit strukturell im Wohnbau, sowohl im Neubau als auch bei Renovierungen, unterstützt vom Behindertenbeirat. Ergänzt wird dies durch eine kostenlose Beratungsstelle für barrierefreies Planen und Wohnen. Richtlinien zur Wohnungsvergabe berücksichtigen die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen, einschließlich bevorzugtem Zugang in dringenden Fällen.
Europäische Zusammenarbeit als zentrale Grundlage
Der European Day of Persons with Disabilities 2025 zeigte erneut gezeigt, wie wichtig konsequente europäische Zusammenarbeit ist, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen nachhaltig zu stärken. Die Diskussionen in Brüssel machen deutlich, dass es für die zweite Hälfte der EU-Strategie über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 klare, verbindliche Maßnahmen braucht: von einem europaweiten Verbot von Zwangssterilisationen bis zu umfassender Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen.
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