Neben der formellen Generalversammlung stand insbesondere die thematische Konferenz am Vormittag des 21. Juni im Mittelpunkt, die unter dem Titel „The Right to Decide: Legal Capacity and Pathways to Reform“ sich mit Fragen rund um rechtliche Handlungsfähigkeit und Reformprozesse beschäftigte. Im Zentrum vieler Beiträge stand dabei aus internationaler Perspektive auch die aktuelle Entwicklung in Österreich.

Konferenz zu „Legal Capacity“ – Scharfe Kritik an Österreich
Traditionell begann die Generalversammlung mit einer inhaltlichen Konferenz. Der diesjährige Schwerpunkt lag auf dem in Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verankerten Recht auf Gleiche Anerkennung vor dem Recht.
Die Keynote hielt Prof. Markus Schefer, Mitglied des UN-Fachausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und Berichterstatter für Österreich bei der letzten Staatenprüfung im Jahr 2023. In seinem Vortrag ging er zunächst auf die allgemeinen Prinzipien von Artikel 12 UN-BRK ein und würdigte insbesondere die breite Beteiligung an dem Entwicklungsprozess des zweiten Erwachsenenschutzgesetzes in Österreich sowie dessen inhaltliche Nähe zu den Vorgaben der UN-BRK. Diese Aspekte waren jene wenigen, die im Rahmen der letzten Staatenprüfung und in den Abschließenden Bemerkungen vom August 2023[1] des UN-Ausschusses positiv hervorgehoben worden waren.
Gleichzeitig äußerte Schefer jedoch mit großer Besorgnis Kritik an den aktuellen Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Erwachsenenschutzrecht in Österreich. Wie berichtet, kommt es durch das Budgetbegleitgesetz ab 1. Juli 2025 zu massiven Verschlechterungen für Menschen, die einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter haben.
Wortwörtlich sagte Schefer im Zusammenhang mit den Rückschritten in Österreich:
„Neither the state nor others are willing to support financially, so everything is falling down, the Austrian Government is falling back on the existing rules. If you are Austrian, you cannot have this rule going through.”
Sinngemäß brachte Schefer damit zum Ausdruck, dass die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre im Bereich des Erwachsenenschutzrechts rein aus Budgetgründen zunichtegemacht wurden und die österreichische Regierung sich wieder an veralteten und nicht konventionskonformen Regelungen orientiert – und dass derartige Regelungen nicht tragbar sind.
Damit war Österreich das einzige Land, das in der Keynote explizit erwähnt und kritisiert wurde – was bei den rund 200 internationalen Teilnehmer*innen für spürbare Betroffenheit und Bestürzung sorgte. Auch in den Pausengesprächen war die negative Entwicklung in Österreich ein wiederkehrendes Gesprächsthema.
EDF-Generalversammlung: Aktuelle Themen und Ausblick
Im weiteren Verlauf der Generalversammlung informierte das EDF über aktuelle Gesetzesvorhaben und politische Prozesse auf EU-Ebene. Schwerpunkte waren unter anderem:
- die Regulierung von Künstlicher Intelligenz,
- Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit Behinderungen,
- Passagierrechte sowie
- die Umsetzung digitaler Barrierefreiheit.
Außerdem wurde über die Prüfung der Europäischen Union durch den UN-Ausschuss zu Beginn des Jahres berichtet und ein Ausblick auf den Arbeitsplan des EDF für die kommenden Jahre gegeben.
Österreichische Entwicklungen stoßen auf internationale Besorgnis
Die Generalversammlung in Vilnius hat eindrücklich gezeigt, wie aufmerksam Entwicklungen in den Mitgliedstaaten international verfolgt werden. Dass Österreich als einziges Land explizit und deutlich kritisiert wurde, zeigt die Ernsthaftigkeit der aktuellen Rückschritte beim Erwachsenenschutzgesetz.
[1] Abschließende Bemerkungen zum kombinierten zweiten und dritten periodischen Bericht Österreich, Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (PDF), letzter Zugriff: 23.06.2025.
von Victoria Biber