Eine der großen Errungenschaften der letzten Legislaturperiode im Bereich der Politik für Menschen mit Behinderung war das Erwachsenenschutzgesetz. Dieses Bundesgesetz, das im Nationalrat einstimmig beschlossen wurde, soll das seit mehr als 30 Jahren bestehende Sachwalterschaftsrecht ablösen und mit 1. Juli 2018 in Kraft treten. Etwa 60.000 Menschen würden durch diese wichtige Neuerung mehr gesellschaftliche Inklusion erfahren können.
Die derzeitige Rechtslage im Bereich der Sachwalterschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass der Sachwalter oder die Sachwalterin anstelle des Menschen mit Behinderung dessen Rechte und Pflichten wahrzunehmen hat. Dies bedeutet, dass dem Menschen mit Behinderung, der seine Angelegenheiten nicht alleine zu erledigen vermag, seine Geschäftsfähigkeit völlig entzogen und diese stattdessen von einem Dritten ausgeübt wird.
Dieser Umstand wurde bei der Staatenprüfung Österreichs über die Einhaltung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen im Jahr 2013 heftig kritisiert. In einem umfassenden und vor allem von der intensiven Einbindung der betroffenen Menschen geprägten Prozess wurde das neue Erwachsenenschutzgesetz erarbeitet. Dieses Gesetz geht davon aus, den Menschen deren Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist, ein möglichst hohes Ausmaß an Selbstbestimmung zu belassen. Anstelle einer ersetzenden Entscheidung eines Dritten soll in Zukunft eine unterstützte Entscheidung des Menschen mit Behinderung selbst treten. Um die notwendigen Unterstützungsstrukturen aufzubauen bedarf es finanzieller Mittel. Diese wurden bei der Beschlussfassung des Gesetzes zugesagt.
Dem Vernehmen nach stellte die Bundesregierung nunmehr Überlegungen an, das Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes um zumindest 2 Jahre aufzuschieben, da die Bedeckung der zu erwartenden Mehrkosten offen sei. Am Rande der Ministerratssitzung vom 21.2.2018 wurde zwar beteuert, dass das Erwachsenenschutzgesetz – wie ursprünglich beschlossen – am 1.7.2018 in Kraft treten werde, hinsichtlich der Finanzierung würden noch Gespräche geführt.
Die Klarstellung der Bundesregierung, am geplanten Inkrafttreten festzuhalten und einen der großen Meilensteine der letzten Jahre nicht aufs Spiel zu setzen, wird selbstverständlich begrüßt. Nunmehr gilt es aber, die budgetäre Bedeckung der mit dem neuem Gesetz verbundenen Mehrkosten sicher zu stellen.
Anzumerken ist, dass selbst die zuletzt genannten Mehrkosten von rund 17 Mio. € im ersten Jahr lediglich rund 2 Promille der Ausgaben des Bundes darstellen. Umgerechnet auf die Zahl der betroffenen Menschen entsprechen die Mehraufwendungen für die massive Erhöhung der Autonomie und der Selbstbestimmung nicht einmal 24 € pro Monat. Es ist nicht auszuschließen, dass am Zeitpunkt des Inkrafttretens zwar festgehalten wird, die notwendigen finanziellen Mittel aber nicht oder nur zum Teil zur Verfügung gestellt werden. Eine derartige taktische Maßnahme wäre jedenfalls vehement abzulehnen.
Das Erwachsenenschutzgesetz ist für die betroffenen Menschen viel zu bedeutsam, um es tagespolitischen Machtspielen der Führungsebenen zweier Bundesministerien zu opfern. Um den Grundgedanken des Gesetzes mit Leben zu erfüllen, braucht es mehr und entsprechend eingeschultes Personal an den Gerichten, müssen die Erwachsenenschutzvereine für die ihnen übertragenen zusätzlichen Aufgaben (zB obligatorisches Clearing) die erforderlichen Mittel erhalten und sind die Unterstützungsstrukturen etwa für erhöhten Beratungsaufwand beizustellen.
Wir fordern daher
- Beibehaltung des Inkrafttretens am 1. Juli 2018
- Sicherstellung der Bedeckung der Mehrkosten im Budget 2018/2019
- Politisches Bekenntnis der Bundesregierung zu den Zielsetzungen der UN-Behindertenrechtskonvention