Opferschutz von Menschen mit Behinderungen und EU-Opferschutzstrategie (2020-2024):
Von Gudrun Eigelsreiter und Bernhard Bruckner
Menschen mit Behinderungen sind um ein Vielfaches häufiger von Gewalt betroffen, als Menschen ohne Behinderungen. Die aufgrund der COVID-19 Krise verhängten Ausgangsbeschränkungen haben diese Situation noch deutlich verschlimmert.
Medial wird berichtet, dass die Fälle von (häuslicher) Gewalt in den letzten Wochen sukzessive zugenommen haben.
Die Bundesregierung hat daher Maßnahmen zum Gewaltschutz präsentiert. Diese inkludieren jedoch Menschen mit Behinderungen nicht, da darin weder die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen berücksichtigt werden, noch diese Angebote barrierefrei nutzbar sind.
Auf Ebene der Bundesländer werden vereinzelt positive Maßnahmen, wie beispielsweise die Beratung in leichter Sprache durch die Fachstelle „Selbstlaut“ in Wien, gefördert vom Fonds Soziales Wien: https://selbstlaut.org/, gesetzt.
Diese vereinzelten Maßnahmen sind aber zu wenig, um alle Menschen mit Behinderungen in Österreich vor Gewalt zu schützen. Daher begrüßen wir ausdrücklich die EDF-Initiative, die von der EU-Kommission geplante „EU-Opferschutz-Strategie (2020-2024)“ inklusiv zu gestalten: http://www.edf-feph.org/newsroom/news/edfs-10-recommendations-ensure-rights-victims-disabilities-eu.
Nur durch eine gesamteuropäische, umfassende Strategie kann Gewaltschutz für alle Menschen mit Behinderungen sichergestellt werden.
Übersetzung der EDF-Initiative:
10 Empfehlungen des EDFs, um die Rechte von Opfern mit Behinderungen in der Europäischen Union sicherzustellen
Um die Barrieren zu durchbrechen, mit denen Opfer mit Behinderungen konfrontiert sind, ruft das EDF dazu auf eine ambitionierte und inklusive EU-Strategie für Opferrechte (2020-2024) zu verabschieden.
Wir begrüßen den Einsatz der EU-Kommission, die Rechte von Opfern in der EU zu schützen, sowie ihren Vorschlag für eine „EU-Strategie für Opferrechte 2020-2024“. Um effektiver zu sein, sollte jene Strategie folgende Punkte enthalten:
- Sicherstellen, dass die Zivilgesellschaft bei Gestaltung, Umsetzung und Monitoring eingebunden ist. Vor allem Opferschutzorganisationen und Organisationen von stark betroffenen Gruppen – wie Menschen mit Behinderungen sowie Frauen mit Behinderungen sollten einbezogen werden.
- Stärken der rechtlichen Basis durch Bezugnahme und Ausrichtung an den Rechten, die in der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), sowie in der „Istanbul Konvention“ und anderen internationalen Dokumenten festgeschrieben sind. (Anmerkung: als „Istanbul-Konvention“ bezeichnet man das „Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“)
- Umsetzung und Evaluierung von relevanten EU-Gesetzen, auch durch die Entwicklung von Schlüssel-Instrumenten für die Implementierung und von regulären Evaluierungsmechanismen.
Die Strategie sollte auch spezifische Bestimmungen enthalten, um die Rechte von Opfern mit Behinderungen als spezifische Opfergruppe sicherzustellen. Vor allem sollte man folgende Themen im Auge behalten:
- Sicherstellen, dass die Opfer mit Behinderungen auch als solche identifiziert werden, einschließlich jener Opfer von Gewalt, die in geschlossenen Einrichtungen leben
- Angebot an adäquaten und barrierefreien Dienstleistungen für Opfer mit Behinderungen
- Sicherstellen der aktiven Partizipation von Opfern mit Behinderungen in allen Stadien des Strafverfahrens
- Barrierefreie Informationen und Kommunikation vor, während und nach den Strafverfahren
- Training für jene in diesem Bereich tätigen Personen, bezüglich der Rechte von den am meisten marginalisierten Gruppen
- Verhängung von Sanktionen bei Verletzungen von Opferrechten
- Aufgeschlüsselte Daten sammeln und Recherche zu den Opfern anstellen.