Bericht: Gudrun Eigelsreiter
Zum Hintergrund: Worum geht’s in der Oviedo Konvention?
- Die Oviedo-Konvention ist ein Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin.
- Sie wird auch als „Bioethikkonvention“ bezeichnet.
- Der vollständige Titel lautet „Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin“.
- Im Zentrum steht hier, dass das Interesse des Menschen immer wichtiger ist als das Interesse der Wissenschaft oder der Gesellschaft.
- Außerdem werden in der Konvention Grundsätze und Verbote u.a. zu folgenden Themen aufgestellt: Genetik, medizinische Forschung, Einwilligung von betreffenden Personen, Recht auf Achtung der Privatsphäre und Recht auf Auskunft, Organverpflanzung, öffentliche Debatte zu diesen Themen usw.
- Die Oviedo-Konvention ist unter folgenden Link abrufbar
Warum ist der Entwurf des Zusatzprotokoll der Ovideo-Konvention problematisch?
- Der Entwurf des Zusatzprotokolls zur Oviedo-Konvention des Europarates zielt auf unfreiwillige Behandlung und Unterbringung in der Psychiatrie ab.
- Das heißt, es braucht nicht das Einverständnis der betreffenden Person, die in die Psychiatrie eingewiesen werden soll, sondern sie kann gegebenenfalls auch dazu und zu medikamentöser Behandlung gezwungen werden.
- Der Protokollentwurf fördert also ein medizinisches Modell von Behinderung und eben kein modernes soziales bzw. menschenrechtliches Modell von Behinderung.
- Das Zusatzprotokoll basiert auf einer Empfehlung aus dem Jahr 2004 (also noch vor der Einführung der UN-BRK in der Europäischen Union) und wurde seit dem Jahr 2014 verhandelt – also seit acht Jahren.
- Genauso lange lobbyieren Organisationen wie das EDF (Europäisches Behindertenforum) und Mental Health Europe (Psychische Gesundheit Europa) gegen diesen Entwurf, da er die Rechte von Menschen mit Behinderungen – dazu zählen auch Menschen mit psychischen Erkrankungen – massiv beschränkt.
- Ein Teilerfolg ist nun die Aussetzung des Zusatzprotokolls bis zum Jahr 2024.
EDF: Gemeinsame Erklärung zur Begrüßung der Aussetzung der Annahme des Entwurfs des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen von Oviedo
Übersetzung: Gudrun Eigelsreiter; Original des EDF
Wir, Organisationen von Menschen mit Behinderungen, Nichtregierungsorganisationen, internationale Menschenrechtsgremien, einschließlich nationaler Menschenrechtsinstitutionen und Gleichbehandlungsstellen, begrüßen die Entscheidung vom Ministerkomitee des Europarates, das Zusatzprotokoll zur Oviedo-Konvention nicht anzunehmen (die Entscheidung ist hier in englischer Sprache abrufbar). Dadurch werden dem Lenkungsausschuss für Menschenrechte neue Anleitungen in den Bereichen Biomedizin und Gesundheit gegeben. Außerdem wird nun vorgesehen, Organisationen von Menschen mit Behinderungen und von anderen relevanten Interessengruppen an den weiteren kommenden Diskussionen zu beteiligen.
Wir setzen uns seit Jahren in vielen Foren für die Rücknahme des Entwurfs des Zusatzprotokolls ein, da es gegen die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) verstößt, unter anderem durch die Kampagne #WithdrawOviedo des European Disability Forum (EDF) und von Mental Health Europe (MHE). Obwohl die jüngsten Entscheidungen unsere Erwartungen nicht voll erfüllen, könnten sie die Basis für größere Anstrengungen zur Standard-Angleichung des Europarats in Bezug auf Menschen mit Behinderungen bilden. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Standards des Europarats nicht im Widerspruch mit der UN-BRK stehen.
Die am 11. Mai angenommenen Beschlüsse frieren jede Annahme des Entwurfs des Zusatzprotokolls zum Oviedo-Übereinkommen bis Ende des Jahres 2024 ein. Das Ministerkomitee beschloss außerdem:
- Dem Lenkungsausschuss für Menschenrechte in den Bereichen Biomedizin und Gesundheit (CDBIO) folgenden Auftrag zu geben: bis zum 31. Dezember 2024 soll der Ausschuss einen Entwurf für eine Empfehlung schreiben. Ziel dieses Entwurfs soll einerseits die Förderung des Einsatzes freiwilliger Maßnahmen in psychiatrischen Diensten sein und andererseits das Schreiben eines Berichts über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit Bezug zur psychischen Gesundheit sein;
- Beteiligung am CDBIO-Treffen vom Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte und in Beobachterfunktion an den CDBIO-Treffen, auf denen der Entwurf des Zusatzprotokolls diskutiert wird. Dabei sein sollen folgende Organisationen: Rehabilitation International, EDF und EASPD (European Association of Service Providers for Persons with Disabilies);
- Übermittlung des Entwurfs des Zusatzprotokolls zur Oviedo-Konvention an die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) zur Stellungnahme. Allerdings erst nach Prüfung der oben genannten Empfehlung und des oben genannten Berichts;
- Ausarbeitung einer Erklärung des Ministerkomitees, in der das Engagement des Europarates bekräftigt wird, den Schutz und die Autonomie von Personen in psychiatrischen Diensten zu verbessern, sobald die oben aufgeführten Ergebnisse abgeschlossen sind.
Obwohl diese Entscheidungen keine vollständige Rücknahme des Entwurfs des Zusatzprotokolls darstellen, geben sie klare Anweisungen. Sie sollen den aktuellen Prozess stoppen und weiter auf die Achtung der Autonomie und des einvernehmlichen Charakters der psychischen Gesundheitsversorgung hinarbeiten.
Wir begrüßen ferner die Tatsache, dass das Ministerkomitee die Bedeutung der Einbeziehung von Organisationen der Zivilgesellschaft in die CDBIO-Sitzungen im Zusammenhang mit der psychischen Gesundheitsversorgung anerkennt. Wir werden die Arbeit des CDBIO sowie anderer Gremien des Europarates weiterhin genau beobachten, um sicherzustellen, dass Menschenrechtsstandards in ganz Europa gewahrt werden.
Wir werden den bevorstehenden Prozess aufmerksam und wachsam verfolgen, konstruktiv beitragen und darauf vertrauen, dass das Endergebnis die Rücknahme aller Vorschläge beinhalten wird, die der UN-BRK widersprechen. Wir fordern den Europarat auf, in der kommenden Zeit eng mit uns zusammenzuarbeiten, um bei allen künftigen Prozessen eine vollständige Angleichung an die UN-BRK sicherzustellen.
Unterzeichnet von folgenden Organisationen:
- European Disability Forum (EDF)
- Mental Health Europe (MHE)
- European Network of Ex/Users and Survivors of Psychiatry (ENUSP)
- Autism Europe
- Inclusion Europe
- Disabled Peoples’ International (DPI)
- Disabled Peoples’ Organizations Denmark (DPOD)
- International Disability Alliance (IDA)
- European Association of Service Providers for Persons with Disabilities (EASPD)
- Society of Social Psychiatry P. Sakellaropoulos
- Validity