Das Land Vorarlberg beteiligt sich am Pilotprojekt zur Ausweitung und Harmonisierung der Persönlichen Assistenz. Das neue Modell sieht die Zusammenführung der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz und im Privatbereich vor, sodass nur noch ein Antrag an einer Stelle nötig ist, um beide Leistungen zu bekommen. Mit der Ausweitung der Persönlichen Assistenz auf alle Lebensbereiche können Menschen von 15 bis 65 Jahren mit einem Grad der Behinderung ab 50 Prozent diese Dienstleistung bis zu einem Umfang von 3.600 Stunden jährlich beantragen. Die erweiterte Persönliche Assistenz kann ab Januar 2024 beim Amt der Landesregierung oder beim Sozialministeriumsservice beantragt werden. Anträge stehen auf der Website des Landes zur Verfügung und werden von Servicestelle Persönliche Assistenz Vorarlberg bearbeitet. Der bewilligte Hilfebedarf wird im Rahmen einer individuellen Bedarfsprüfung durch das Land Vorarlberg erhoben.
Die Vorarlberger Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher und Gesundheitsminister Johannes Rauch informierten mit Projektpartner*innen am 10. Dezember 2023 in einer Pressekonferenz im Landhaus über den bevorstehenden Start des Pilotprojekts Persönliche Assistenz.
Zusammenführung Persönlicher Assistenz am Arbeitsplatz und im Privatbereich
Die Persönliche Assistenz stellt eine ambulante Dienstleistung dar, um Menschen mit Behinderungen bei Tätigkeiten zu unterstützen, die sie auf Grund ihrer Behinderung selbst nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand alleine ausführen können – bei Freizeitaktivitäten, Veranstaltungsbesuchen, aber auch am Arbeitsplatz. Es werden insbesondere Leistungen der Basisversorgung, Arbeit, Haushalt, Mobilität, Freizeit und kulturelle Aktivitäten unter Anleitung der Menschen mit Behinderungen erbracht. „Die Persönliche Assistenz entspricht einer Zielsetzung, die nicht zuletzt auch in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommt. Sie ist ein richtungsweisendes Angebot, damit Menschen mit Behinderung Hilfe bekommen, wo es nötig ist, dabei aber ein aktiveres, selbstbestimmtes Leben führen und gesellschaftlich eingebunden bleiben können“, betonte Landesrätin Rüscher.
In diesem Sinne ist die Persönliche Assistenz für tausende Menschen mit Behinderungen in Österreich essentiell, bekräftigte Sozialminister Rauch: „Mit dem Pilotprojekt haben wir den Anreiz für die Bundesländer geschaffen, ihre unterschiedlichen Systeme auf bundesweit einheitliche Kriterien anzupassen. Als Sozialministerium stellen wir hierfür insgesamt 100 Millionen Euro zur Verfügung.“ Rauch freute sich, dass Vorarlberg nun als zweites Bundesland mit der Umsetzung beginnt und zwei weitere Bundesländer bereits in den Startlöchern stehen: „Ziel ist, dass alle Bundesländer am Pilotprojekt teilnehmen. Denn eine bundesweit einheitliche Persönliche Assistenz für alle Lebensbereiche können wir nur gemeinsam schaffen. Dieser Meilenstein in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention muss allen Systempartner*innen ein Anliegen sein.”
Ein Antrag für zwei Leistungen
Mit der Ausweitung der Persönlichen Assistenz auf alle Lebensbereiche können Menschen im Alter von 15 bis 65 Jahren diese Dienstleistung bis zu einem Umfang von 3.600 Stunden jährlich beantragen. Der bewilligte Hilfebedarf wird im Rahmen einer individuellen Bedarfsprüfung durch das Land Vorarlberg erhoben.
Somit wird ab dem Ende der schulischen Betreuung bis zum Pensionsantritt mehr Eigenständigkeit im Alltag ermöglicht. Voraussetzung dafür ist neben dem Alter, dass eine Behinderung im Sinne des Chancengesetzes vorhanden ist (eine Person, die aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung von mindestens sechs Monaten in ihrer körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit in ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist). Menschen die eine 24-Stunden Betreuung haben oder in einer stationären Einrichtung betreut werden, können diese Leistung nicht in Anspruch nehmen. Es muss eine Anleitungsfähigkeit vorhanden sein, d.h. Menschen müssen in der Lage sein ihren AssistentInnen zu sagen was und wie sie es brauchen. Wenn bereits andere Leistungen vom Land Vorarlberg oder dem Sozialministeriumservice in Anspruch genommen werden, werden diese in Zuge der Bedarfsprüfung für die Persönliche Assistenz berücksichtigt.
Durch die Kooperation von Persönliche Assistenz Vorarlberg (PAV) und Persönliche Assistenz Arbeit (PAA) kann die gleiche Assistenz die Dienstleistung in der Arbeit und im Privatbereich durchführen. Durch die Harmonisierung muss nur noch ein Antrag an einer Stelle eingereicht werden, um zwei verschiedene Leistungen zu bekommen. „Durch die Kooperation von Bund und Land sowie von den beiden ausführenden Organisationen wird im Hintergrund alles Notwendige so organisiert, dass es für den Menschen mit Behinderung möglichst einfach ist“, sagt Rüscher.
In Vorarlberg gab es bereits vor dem Projektstart Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz (durch das Sozialministeriumsservice finanziert) und im Freizeitbereich (vom Land finanziert). Im Jahr 2022 wurde die Leistung im Freizeitbereich von 53 Personen in Anspruch genommen, heuer waren es bisher 56. Die Assistent*innen waren meist selbständig tätig. Im künftigen Modell werden die Lebensbereiche zusammengeführt und können an einem Ort gemeinsam beantragt werden. Es wird damit gerechnet, dass die Persönliche Assistenz in den kommenden Jahren schrittweise deutlich ausgebaut wird, vom Bund ist für 2024 die Förderung für 61.500 Leistungsstunden zugesagt.
Möglichkeit der Festanstellung für Assistent*innen und pflegende Angehörige
Die AssistentInnen werden in eine Festanstellung übergeführt – in ein für sie wesentlich attraktiveres Arbeitsverhältnis. Im Rahmen des Pilotprojektes kann darüber hinaus ein Teil der Assistenz künftig auch von pflegenden Angehörigen in Anstellung geleistet werden. Die Servicestelle Persönliche Assistenz Vorarlberg wird zu deren Dienstgeber. „Die Anstellung von nahen Angehörigen wird nicht immer möglich sein, aber für einzelne Familien wird dieses Angebot mit Einkommen und sozialversicherungsrechtlicher Absicherung eine große Erleichterung bringen“, so Landesrätin Rüscher.
Als nächster Ausbauschritt ist beabsichtigt, die Zielgruppe zu erweitern. In der aktuellen Form steht die persönliche Assistenz Menschen zur Verfügung, die in der Lage sind, die Assistenz selbst anzuleiten und selbstbestimmt ihren Alltag zu bewältigen. Ziel ist es, dass die Persönliche Assistenz künftig auch Menschen mit intellektuellen und psychischen Beeinträchtigungen zur Verfügung steht. Erste Gespräche mit Selbst- und Interessenvertretungen wurden bereits geführt. Die Konzepterstellung wird im Anschluss beginnen.
Langjährige Forderung der Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen erfüllt
Landesrätin Rüscher und Minister Rauch sowie alle Beteiligten blicken dem Pilotprojekt mit Zuversicht entgegen. Man habe gemeinsam viele Szenarien bereits im Vorfeld durchdacht, damit ein guter Start gelingt, und sei bereit zu lernen, falls am Anfang noch nicht alles reibungslos
funktioniere. Um das Projekt weiterentwickeln und verbessern zu können, ist vorgesehen, es laufend zu evaluieren und bei Bedarf anzupassen.
„Die Persönliche Assistenz ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht. Denn dadurch kann ich das machen, worüber ein anderer überhaupt nicht nachdenken muss“, betonte die Obfrau des Vereins Persönliche Assistenz Vorarlberg, Sabrina Nitz. Eine einheitliche und bedarfsgerechte Persönliche Assistenz werde von Menschen mit Behinderungen schon seit langem gefordert, umso erfreulicher sei es, dass das Pilotprojekt nun starten kann. „Das gibt den Persönlichen Assistent*innen eine sozialrechtliche Absicherung durch solide Angestelltenverhältnisse, was für die Weiterführung und den Ausbau der Persönlichen Assistenz sehr essentiell ist. Die Nachfrage an Persönlicher Assistenz für alle Lebensbereiche ist sehr hoch und wir hoffen durch die Festanstellung viele neue Assistent*innen gewinnen zu können“, so Nitz.
Die Persönliche Assistenz am Arbeitsplatz des Mobilen Hilfsdienstes Dornbirn organisiert seit rund 20 Jahren die Begleitung und Assistenz für Menschen mit einer körperlichen oder Sinnesbehinderung im Arbeits- und Ausbildungsalltag. Darüber hinaus werden im Rahmen der Persönlichen Assistenz in Bildungseinrichtungen Schüler*Innen beim Besuch einer Bundesschule unterstützt. Geschäftsführerin Sabine Kessler: „Die Kooperation von Bund, Land und den beiden Trägerorganisationen ermöglicht es, vorhandene Strukturen zusammenzuführen, zu verbessern und im Sinne der Betroffenen leichter zugänglich zu machen. Im Rahmen der Entwicklung des Kooperationsmodells setzen wir gemeinsam mit der Persönlichen Assistenz Vorarlberg stets die Bedarfe der Assistenznehmenden sowie die Qualität der Assistenzleistung an erste Stelle. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit in der Umsetzung.“
Auch der Landesstellenleiter des Sozialministeriumsservice Vorarlberg, Gerhard Leitner, freute sich, dass mit der Umsetzung des Pilotprojekts in Vorarlberg die langjährige Forderung der Interessensgruppen erfüllt werden kann: „Alle Beteiligten haben im Zusammenwirken miteinander einen ersten Meilenstein gesetzt. Diesen gilt es nun weiter auszubauen. Dieses Projekt bietet nicht nur einen Vorteil für die Assistenznehmenden wegen der Erleichterungen bei der Inanspruchnahme der Assistenzleistungen, sondern auch für die Assistierenden im Hinblick auf das Arbeitsrecht. Ich hoffe aber auch, dass sich nun mehr Menschen für die Assistenzarbeit interessieren.“
Quelle: Landespressestelle Vorarlberg
Service-Links
Anträge für Persönliche Assistenz auf der Website des Landes Vorarlberg
Servicestelle Persönliche Assistenz Vorarlberg