Der ORF-Publikumsrat empfiehlt u.a., dass neue Chancen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz zum verstärkten Ausbau barrierefreier Angebote (Untertitelung, einfache Sprache, Übersetzungen) genützt werden. Darüber hinaus wird empfohlen, für die kommenden Jahren eine Strategie zur verstärkten Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln.
Der ORF-Publikumsrat beschloss in seiner Plenarsitzung am 14. März 2024 unter dem Vorsitz von Mag. Walter Marschitz folgende Empfehlungen:
Empfehlung des Publikumsrats zum Thema Gesundheit
Der Programmauftrag zur Information über Themen der Gesundheit wird nach den Ergebnissen der ORF-Publikumsratsstudien vom Publikum als einer der wichtigsten angesehen. Der ORF trägt dem derzeit in vielfältiger Weise und in unterschiedlichsten Formaten auf allen Ausspielkanälen Rechnung.
Das Verständnis von Gesundheit unterliegt einem Wandel. Ein modernes Verständnis von Gesundheit geht weit über das Fehlen von Krankheit hinaus. Es begreift Gesundheitsförderung als Prozess, stellt unter dem Begriff „health in all policies“ eine Verbindung zu anderen Politikbereichen her und bezieht die sozialen Determinanten der Gesundheit bis hin zur „planetary health“ mit ein. Die Konvergenz von Biotechnologie und Informationstechnologie sowie die Nutzung künstlicher Intelligenz verändern derzeit mit großer Geschwindigkeit Gesundheitsdienstleistungen und Medizin.
Mit Blick auf die Gesundheit in Österreich gibt es noch großen Handlungsbedarf, wie unter anderem die Tatsache belegt, dass die Anzahl an gesunden Lebensjahren hierzulande unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Weitere Unterschiede zeigen sich nach Geschlecht, Einkommensposition und Herkunft. Zurückzuführen sind diese Entwicklungen auf Faktoren sozioökonomischer Belastung, zur Verfügung stehender Resilienzen, dem Zugang zur Gesundheitsversorgung und dem individuellen Gesundheitshandeln wie beispielsweise bei den Themen Ernährung, Alkoholkonsum, Rauchen oder Bewegung.
Ein Gegenwirken kann nur im Zusammenwirken aller Akteure im Gesundheitsbereich und darüber hinaus erreicht werden. Dem ORF kommt für die Information der Bevölkerung wegen des in ihn gesetzten Vertrauens und seiner Reichweite eine spezifische Rolle zu. Im selben Maße wird der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF im journalistischen Beitrag über gesundheitsschädliche bzw. gesundheitsfördernde Bedingungen in Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft wirksam.
Zentrale Herausforderung ist es insbesondere, auch jene Zielgruppen zu erreichen, die am stärksten von Krankheitsrisken bedroht sind und Gesundheitsinfos im Alltag am meisten brauchen könnten, sowie jene, die über die traditionellen Kanäle des ORF schwer zu erreichen sind (z. B. junge Menschen). Hier ist der ORF in seinem Bemühen, ein „ORF für alle“ zu sein, besonders gefordert. Wichtiges Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz („health literacy“) der Bevölkerung – bei der Österreich im europäischen Vergleich Aufholbedarf hat – zu steigern. Weitere Ziele wären Barrieren für benachteiligte Gruppen zu thematisieren, den Zugang in der Gesundheitsversorgung für alle zu behandeln und über Beispiele gesundheitsfördernder Umwelten im Alltag der Bevölkerung zu informieren. Damit würden in einem „ORF für alle“ Prävention und Eigenverantwortung umfassend gestärkt.
Auf Basis der Sitzung zum Programmauftrag Gesundheit am 21. September 2023 empfiehlt der ORF-Publikumsrat daher folgende Punkte in die Weiterentwicklung miteinzubeziehen:
- Orientierung an den von maßgeblichen Gesundheitsinstitutionen erarbeiteten 15 Qualitätskriterien für gute Gesundheitskommunikation in Österreich
- strenge Orientierung an einschlägiger aktueller wissenschaftlicher Evidenz (durchaus aber mit dem Hinweis, dass auch diese einer gewissen Entwicklung unterliegt)
- Orientierung an einem umfassenden Gesundheitsbegriff, der die vielfältigen Einflussfaktoren für Gesundheit (Determinanten der Gesundheit) in den Mittelpunkt stellt, wie es beispielsweise die österreichischen Gesundheitsziele vorgeben (https://gesundheitsziele-oesterreich.at/)
- stärkere Verzahnung und Abstimmung der Gesundheitsthemen in den einzelnen Ausspielkanälen des ORF
- gezielte zeitliche Fokussierung auf bestimmte Schwerpunktthemen im Rahmen von ausgeschilderten Initiativen (Bsp. „Fit mach mit“)
- bessere Abstimmung der gesundheitsbezogenen Schwerpunktthemen mit den anderen Akteuren im Gesundheitswesen
- stärkere Einbeziehung partizipativer Elemente bei der Priorisierung und Gestaltung von Gesundheitsthemen
- Ausbau der Angebote für junge Menschen in Formaten und Ausspielkanälen, wo diese tatsächlich erreicht werden können, und zu Themen, die Jugendliche aktuell bewegen
- geeignete Verankerung und Darstellung des Themas „Gesundheit“ in den Kinderprogrammen des ORF
- Förderung eigener sportlicher Betätigung durch „Mitmach“-Sendungen und verstärkte Berichterstattung über (Trend-)Sportarten, die zu eigener sportlicher Betätigung anregen
- Thematisierung von Gesundheit nicht nur auf der „Vernunftschiene“, sondern auch über die „Lust- und Lifestyleschiene“
- Nutzung von Ko-Benefits durch Kooperation mit Bereichen wie Sport, Umwelt, Wirtschaft oder Soziales
- sensibler und verantwortungsvoller Umgang mit Werbung im gesundheitlichen Kontext, insbesondere auch Herstellung von Transparenz, wo bestimmte Interessenslagen bestehen
- erhöhte Sensibilität in der Darstellung und im Umgang mit dem Thema „Alkohol“, insbesondere in Formaten, die sich an junge Menschen richten
- Entwicklung eines eigenen ORF-Gesundheits-Tools im Rahmen der neuen regulatorischen Möglichkeiten
Empfehlung des Publikumsrats zum Programmauftrag „Angemessene Berücksichtigung und Förderung sozialer und humanitärer Aktivitäten, einschließlich der Bewusstseinsbildung zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt“
Humanitäre Aktivitäten
Der ORF ist seit mittlerweile mehr als 50 Jahren im Bereich humanitärer Aktivitäten sehr aktiv. Mit den Marken LICHT INS DUNKEL für das Thema Inklusion, NACHBAR IN NOT für das Thema Auslandskatastrophenhilfe und ÖSTERREICH HILFT ÖSTERREICH für Inlandsaktivitäten etwa im Zusammenhang mit Hochwasserkatastrophen hat der ORF allein im Jahr 2022 148 Millionen Euro an Spenden gesammelt. Über den Verein „Licht ins Dunkel“ wurden zuletzt 480 Projekte unterstützt, die von 150 Organisationen umgesetzt wurden. Zusätzlich konnten in 5.800 Fällen Menschen in einer individuellen Problemlage unterstützt werden, insbesondere dort, wo es derzeit keine oder keine ausreichende öffentliche Unterstützung gibt.
Die mit diesen Aktivitäten gesammelten Mittel ermöglichen einerseits die Möglichkeit sehr rascher Hilfe, andererseits auch die Unterstützung langfristigerer Projekte, Innovationen und Veränderungen hin zu einer inklusiven Gesellschaft.
In diesen 50 Jahre hat es keinerlei Skandal oder negative Vorkommnisse gegeben, was auch damit zusammenhängt, dass starke Sozialorganisationen mit ihrem Namen dafürstehen, dass die Mittelverwendung eine korrekte ist. Sie ermöglichen auch eine effiziente Abwicklung, weil diese Organisationen bereits über eine entsprechende Infrastruktur und die notwendige Erfahrung verfügen. Die Aktivitäten im Bereich Humanitarian Broadcasting und die starken „sozialen“ Marken sind auch für die Legitimierung des öffentlichen Auftrages sehr wertvoll und bringen dem ORF eine enge Verbindung zur Zivilgesellschaft. Sie sind damit Ausdruck eines „ORF für alle“.
Der Publikumsrat würdigt und unterstützt diese Aktivitäten und bedankt sich ausdrücklich bei jenen, die bei deren Verwirklichung mitgewirkt haben und mitwirken.
Der Publikumsrat hat dazu folgende Anregungen bzw. Empfehlungen:
- Das Humanitarian Broadcasting soll als wichtige Säule gestärkt, ausgebaut, strategisch entwickelt und mit den nötigen Ressourcen versehen werden, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Dabei geht es beispielsweise um Sendeformate, die jeweils auf der Höhe der Zeit sind, und um den Umgang mit Spannungsfeldern, die sich zwischen Anforderungen beim Spendensammeln und bei der Darstellung von Erfolgsgeschichten im Zusammenhang mit Inklusion ergeben können.
- Trotz einer hohen Spendenbereitschaft, die bei den ORF-Aktionen manifest wird, hat Österreich bei Spenden international noch Nachholbedarf. Die Aktivitäten des ORF sollten daher – über den eigenen Bereich hinaus – einen Beitrag leisten, um die Bereitschaft in Österreich zu fördern, Menschen in Not zu unterstützen.
- Der ORF war und ist bei all diesen Aktivitäten nicht nur Medienpartner der Trägervereine, sondern auch wichtiger Entwickler der Marken. Dies sollte sich auch bei der Gestaltung der Zusammenarbeit widerspiegeln.
- Die herausragenden Aktivitäten des ORF beim Humanitarian Broadcasting sollen bei der Diskussion um und die Bewerbung des ORF-Beitrages sowie bei Debatten um die Bedeutung der Rolle des ORF als öffentlich-rechtliche Institution offensiv ins Treffen geführt werden.
Inklusion
Die begleitende Berichterstattung im Bereich humanitärer Aktivitäten – aber nicht nur dort – leistet einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung zu den Themen Inklusion und Barrierefreiheit.
Der Publikumsrat begrüßt ausdrücklich das Bemühen, nicht nur über Menschen zu berichten, sondern die Betroffenen auch selbst zu Wort kommen und gestalten zu lassen, und ermuntert die Verantwortlichen, diesen Weg konsequent weiterzugehen.
Daher empfiehlt der Publikumsrat:
- Die neuen Chancen durch den Einsatz der künstlichen Intelligenz sollen zum verstärkten Ausbau barrierefreier Angebote (Untertitelung, einfache Sprache, Übersetzungen) genützt werden.
- Journalistinnen und Journalisten mit einer Behinderung sollen verstärkt in den ORF- Redaktionen arbeiten und gestalten können. Erfahrungen anderer Sender zeigen, dass sich der auf den spezifischen Lebenserfahrungen basierende Blick auf die Welt wesentlich auf die Gestaltung auswirkt und neue Medienbilder erzeugt. Außerdem verändert sich die Einstellung der nicht behinderten Kolleginnen und Kollegen zum Thema Behinderung in inklusiv geführten Redaktionen. Daher wird empfohlen, für die kommenden Jahren eine Strategie zur verstärkten Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln.
Bei einer Änderung des ORF-Gesetzes sollte eine Umformulierung des Programmauftrages überlegt werden, die derzeitige Formulierung ist deswegen etwas unglücklich, weil Inklusion als Unterpunkt zum humanitären Engagement verankert ist.
Quelle: Aussendung ORF-Büro der Gremien