Die Bundesregierung ging auf langjährige Forderung nach kollektivvertraglicher Entlohnung und voller Sozialversicherung von Menschen in sogenannten „Werkstätten“ ein und initiiert Projekte für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt.
Der Österreichische Behindertenrat fordert seit vielen Jahren, dass in sogenannten „Werkstätten“ beschäftigte Menschen entsprechend der für Österreich verpflichtenden Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention kollektivvertraglich entlohnt und in der Sozialversicherung voll versichert werden. Das Ziel muss im Sinne der Inklusion eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt sein. So enthalten die „Strategischen Vorschläge für einen inklusiven Arbeitsmarkt“ vom Juni 2019 folgenden Passus: „Es muss von den politischen Entscheidungsträger*innen gemeinsam mit Vertreter*innen der Menschen mit Behinderungen sowie der Trägerorganisationen ein Prozess gestartet werden, der zum Ziel hat, dass die Personen die in Werkstätten beschäftigt sind, kollektivvertraglich entlohnt werden und in der Sozialversicherung voll versichert sind. Weiters sind Elemente von Supported Employment zu integrieren, die eine Durchlässigkeit in den allgemeinen Arbeitsmarkt, im Rahmen der Wahlfreiheit der Einzelperson, ermöglichen.“
Damit Menschen mit Behinderungen, die in sogenannten „Werkstätten“ tätig sind, langfristig Lohn anstelle von Taschengeld erhalten, stellt die Bundesregierung als ersten Schritt 36 Millionen Euro zur Verfügung, um entsprechende Pilotprojekte der Bundesländer zu finanzieren.
Dabei sollen 30 Mio. Euro aus dem laufenden Budget des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und 6 Mio. Euro aus dem laufenden Budget des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft verwendet werden. Die Bundesländer sollen sich mit einem weiteren finanziellen Drittel an den inklusiven Pilotmodellen beteiligen. Das gaben Sozialminister Johannes Rauch und ÖVP-Klubobmann August Wöginger am 13. März 2024 im Pressefoyer nach dem Ministerrat bekannt. Damit werden Projekte in den Ländern finanziert, die Menschen mit Behinderungen den Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen, auch wenn sie einen großen Bedarf an Unterstützung haben. Sie erhalten dann ein Gehalt und eine sozialversicherungsrechtliche Absicherung. Zudem werden bestehende Angebote des Arbeitsmarktservice für den beruflichen Einstieg von Menschen mit Behinderungen angepasst. Die Gespräche über eine generelle Systemumstellung auch in tagesstrukturellen Einrichtungen der Länder werden weitergeführt.
Rund 28.000 Menschen mit Behinderungen sind derzeit in tagesstrukturellen Einrichtungen beschäftigt. Diese werden oft auch als betreute Werkstätten bezeichnet. Für ihre Tätigkeit sind sie unfallversichert und erhalten je nach Bundesland 35 bis 100 Euro Taschengeld pro Monat. Während der Bund für die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zuständig ist, liegt die Verantwortung für tagesstrukturelle Einrichtungen und deren Vergütungen bei den Ländern.
Im Auftrag des Sozialministeriums hat die Wirtschaftsuniversität Wien die Kosten einer Umstellung von “Lohn statt Taschengeld“ in tagesstrukturellen Einrichtungen evaluiert. Zur Umsetzung laufen Gespräche zwischen dem Sozialministerium, dem Arbeitsministerium und den Ländern.
„Die heute im Ministerrat beschlossene Initiative der Bundesregierung, gemeinsam mit dem AMS und den Ländern Projekte für Inklusion von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt einzuleiten, werden vom Österreichischen Behindertenrat begrüßt. Auch wenn detaillierte Kriterien der Richtlinie noch erarbeitet werden müssen, sind wir optimistisch, dass heute der Startschuss für eine wichtige Veränderung abgegeben wurde“, erklärt Martin Ladstätter, Vizepräsident des Österreichischen Behindertenrats.
Die heute angekündigten Schritte sollen ermöglichen, gemeinsam mit den Bundesländern neue Lösungen abseits des seit vielen Jahrzehnten bestehenden Systems der segregativen Tagesstrukturen anzubieten.
Service-Links
Studie Lohn statt Taschengeld – Österreichischer Behindertenrat
Ministerratsbeschluss vom 13. März 2024: „Lohn statt Taschengeld“: Inklusive Beschäftigung am Arbeitsmarkt (PDF)
Strategische Vorschläge für einen inklusiven Arbeitsmarkt (PDF)