In der Nationalratssitzung am 14. Dezember 2023 wurde einstimmig beschlossen, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Menschen mit Behinderung künftig erst im Alter von 25 Jahren erfolgen darf.
Bislang wurde eine Arbeitsunfähigkeit bereits im Jugendalter festgestellt. Dies bewirkte, dass Betroffene keinen Zugang zu Leistungen des Arbeitsmarktservice haben. Mit der Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes dürfen Personen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nicht verpflichtet werden, an einer Untersuchung der Arbeitsfähigkeit teilzunehmen. Sie sollen somit bis zum Alter von 25 Jahren beim Arbeitsmarktservice betreut und vorgemerkt werden und entsprechende Schulungen in Anspruch nehmen können. Darüber hinaus gibt es eine Unterstützung des Sozialministeriumservice und der Länder bei der Suche nach offenen Stellen und der Abklärung besonderer Bedarfslagen. Sofern sie die Anwartschaft aufgrund einer Beschäftigung nachweisen können, haben junge Menschen mit Behinderungen auch Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Regelung tritt mit 1. Januar 2024 in Kraft. Um Härtefälle zu vermeiden, kommen Gutachten, die im Jahr 2023 angeordnet wurden, ebenfalls bis zum 25. Lebensjahr nicht zur Anwendung.
Arbeitsminister Martin Kocher sprach von einem „Herzensanliegen“. Bisher sei in den allermeisten Fällen bei jungen Menschen mit Behinderung die Arbeitsunfähigkeit mit 15 Jahren festgestellt worden, was sie von den Angeboten des AMS ausgeschlossen habe. Mit der Änderung schaffe man nun eine Chance auf Inklusion und einen Paradigmenwechsel. Kocher betonte, dass dies nicht der letzte Schritt sei, der in Sachen Integration von Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt notwendig sei.
Auch Markus Koza von den Grünen sprach von einem wichtigen Tag für Menschen mit Behinderung. Man mache den Weg für die Inklusion der Betroffenen am Arbeitsmarkt frei und durchbreche den „Automatismus Sonderschule, Werkstatt, Sozialhilfe“. Ab 1. Jänner 2024 werde die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit für Unter-25-Jährige abgeschafft. AMS und SMS sollen künftig gemeinsam mit den Betroffenen einen Perspektivenplan erstellen. Bei der Überprüfung selbst werde künftig auf die Fähigkeiten und Potenziale der jungen Menschen geachtet.
Kira Grünberg, Behindertensprecherin der ÖVP betonte, dass das Recht auf Arbeit ein Menschenrecht sei, für das junge Menschen mit Behinderung lange kämpfen mussten. Durch die Einstufung als arbeitsunfähig seien ihnen berufliche Chancen verbaut worden. Mit der Novellierung komme es zu einer Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderung. Grünberg zeigte sich überzeugt, dass die Arbeitswelt davon profitieren werde, wenn Menschen mit Behinderung eine Chance bekommen.
Auch vonseiten der Opposition kam Zustimmung zur Gesetzesänderung. Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm von der FPÖ fanden die Verbesserungen für Menschen mit Behinderung begrüßenswert. Michael Seemayer von der SPÖ sprach von einer sinnvollen Maßnahme, die die finanzielle Situation und die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung beim Zugang zum Arbeitsmarkt verbessere. Die Verbesserung würde aber auch mehr Arbeit für das AMS bedeuten, so Seemayer, der daher mittels Entschließungsantrag erneut für eine Aufstockung des Personals bei AMS und Arbeitsinspektion eintrat. Der Antrag erhielt keine Zustimmung.
Fiona Fiedler, Behindertensprecherin der NEOS, bewertete die Novelle als „deutliche Verbesserung gegenüber dem Ist-Zustand“. Sie begrüße ausdrücklich, dass die Feststellung der Arbeitsfähigkeit künftig erst mit 25 Jahren erfolgen kann. Einen Paradigmenwechsel sah sie aber keinen, denn dafür bräuchte es eine komplette Abschaffung der Überprüfung. Kritik übte Fiedler zudem an der Stichtagsregelung. Sie ortete eine Diskriminierung all jener Personen unter 25, die vor dem Stichtag am 1. Jänner 2023 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten haben. Die Abgeordnete brachte daher einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie ein Konzept forderte, das auch diese Personen von der Novellierung profitieren lässt. Der Antrag blieb in der Minderheit.
Quelle: Parlamentskorrespondenz
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